In Zeiten des Fachkräftemangels und der Digitalisierung steht das Recruiting vor großen Herausforderungen. Schätzungen zufolge wird bis 2026 ein Gesamtbedarf von 4,92 Millionen Fachkräften in Deutschland erwartet. Unternehmen müssen neue Wege finden, um geeignete Kandidaten effizient und zielgerichtet zu rekrutieren. Hier bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) vielversprechende Lösungen, die nicht nur den Auswahlprozess optimieren, sondern auch die Candidate Experience verbessern können.
Effizienzsteigerung durch KI im Bewerbungsprozess
Der Einsatz von KI im Recruiting beginnt bereits bei der Erstellung von Stellenanzeigen. Intelligente Systeme helfen dabei, Stellenanzeigen zu optimieren, indem sie Formulierungen verbessern und beispielsweise auf geschlechterneutrale Sprache achten. Eine Studie von Softgarden zeigt, dass 73,1 % der Befragten aufgrund schlecht formulierter Stellenanzeigen auf eine Bewerbung verzichten. Mit der Unterstützung von KI können diese Anzeigen attraktiver gestaltet und somit mehr qualifizierte Bewerber angezogen werden.
Nach Eingang der Bewerbungen kann KI bei der Analyse der Bewerbungsunterlagen unterstützen. Methoden wie das CV-Parsing ermöglichen es, unstrukturierte Daten in Bewerbungen zu strukturieren und effizient zu bewerten. Dadurch wird sichergestellt, dass keine qualifizierten Kandidaten übersehen werden. Eine Studie von Campion et al. (2016) bestätigt, dass die Bewertung durch KI, in diesem ersten Schritt, genauso zuverlässig ist wie die durch menschliche Recruiter, und zudem ein hohes Kostensenkungspotenzial bietet.
Videointerviews und Social-Media-Monitoring
Ein weiterer Anwendungsbereich von KI ist die Analyse von Videointerviews. Hier können intelligente Algorithmen Verhaltensmuster und Persönlichkeitsmerkmale erkennen, die für die Stellenrelevanz entscheidend sind. Dies spart nicht nur Zeit, sondern erhöht auch die Objektivität des Auswahlprozesses. Während Personalverantwortliche Stunden benötigen, um einzelne Videointerviews zu analysieren, kann die KI dies in kürzester Zeit erledigen.
Zusätzlich nutzen Unternehmen zunehmend Social-Media-Monitoring, um ein umfassenderes Bild von den Bewerbern zu erhalten. KI-basierte Systeme können dabei helfen, die Datenflut effizient zu verarbeiten und relevante Informationen herauszufiltern. Eine Studie der Florida State University zeigt, dass menschliche Recruiter auf dieser Grundlage oft voreingenommene Entscheidungen treffen, während computer-basierte Modelle akkuratere Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen können.
Verbesserte Candidate Experience durch Chatbots und Online-Assessments
Ein zentraler Aspekt im modernen Recruiting ist die Candidate Experience. Hier können Chatbots eine wichtige Rolle spielen, indem sie Bewerbern rund um die Uhr für Fragen zur Verfügung stehen und den Bewerbungsprozess begleiten. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Kandidaten, sondern entlastet auch die Personalabteilung. Der Vorteil von KI-basierten Chatbots liegt darin, dass sie kontinuierlich lernen und sich anpassen können, um immer bessere Antworten zu liefern.
Auch Online-Assessments und Recrutainment gewinnen an Bedeutung. KI-basierte Tests und Spiele können auf spielerische Weise die Eignung der Kandidaten überprüfen und gleichzeitig die Hemmschwelle für Bewerbungen senken. Der Konzern Unilever hat beispielsweise einen digitalen Prozess eingeführt, der unterschiedliche KI-bezogene Technologien einsetzt, um die Candidate Experience zu verbessern. Durch diesen Prozess konnte die Diversität der Bewerber gesteigert und die Zeit für den Bewerbungsprozess verkürzt werden.
Risiken und Herausforderungen
Trotz der vielen Vorteile birgt der Einsatz von KI im Recruiting auch Risiken. Besonders das Thema Diskriminierung ist kritisch zu betrachten. KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden. Ein bekanntes Beispiel ist das Unternehmen Amazon, dessen KI-System zur Bewerberauswahl Frauen in Technologieberufen benachteiligte, weil die zugrunde liegenden Daten überwiegend von Männern stammten. Es ist essenziell, dass die Datenbasis divers und inklusiv ist, um Verzerrungen zu vermeiden.
Zudem müssen Datenschutz und Transparenz gewährleistet sein, um das Vertrauen der Bewerber zu gewinnen. 40 % der Führungskräfte und Spezialisten sehen den Datenschutz als eine der größten Hürden beim Einsatz von KI im Recruiting. Hier fehlt es an klaren Regularien und einer angemessenen Kommunikation mit den Bewerbern.
Fazit und Ausblick
KI bietet im Recruiting erhebliche Potenziale zur Effizienzsteigerung und Verbesserung der Candidate Experience. Sie sollte jedoch nicht als Ersatz für menschliche Recruiter gesehen werden, sondern als unterstützendes Werkzeug. Der Schlüssel liegt in der richtigen Balance zwischen technologischen Möglichkeiten und menschlicher Expertise.
Zukünftig wird der Erfolg im Recruiting davon abhängen, wie gut Unternehmen diese Balance finden und die Vorteile der KI nutzen, ohne die ethischen und datenschutzrechtlichen Aspekte zu vernachlässigen. Der Einsatz von KI kann den wachsenden Anforderungen der Bewerber gerecht werden und gleichzeitig den Unternehmen helfen, den Fachkräftemangel zu bewältigen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Quellen:
https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Fachkraeftesicherung/Fachkraeftemonitoring/fachkraeftemonitoring.html
https://go.softgarden.com/de/study/stellenanzeigen-kandidatensicht/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27077525/
https://www.researchgate.net/publication/273589034_Social_Media_for_Selection_Validity_and_Adverse_Impact_Potential_of_a_Facebook-Based_Assessment
https://www.kienbaum.com/ki-studie/