Warum die Mitarbeiterbindung immer mehr an Bedeutung gewinnt
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt treffen aktuell unterschiedliche Faktoren aufeinander, die das Finden von passendem Personal erschweren. Themen wie der sich zuspitzende Fachkräftemangel oder der Einfluss des Ukraine Krieges auf die deutsche Wirtschaft sind in aller Munde. Aufgrund des demographischen Wandels werden immer mehr Stellen frei, die nicht genügend durch Nachwuchskräfte gedeckt werden können. Zudem kommt, dass auch innerhalb der Unternehmen das Engagement der Mitarbeitenden sinkt. So belegen Studiendaten der Unternehmensberatung Kincentric, dass im ersten Quartal in 2022 lediglich 62 % der Arbeitnehmenden eine Verbundenheit zu ihrem Arbeitgeber spüren. Zum Vorquartal ist der Wert demnach um 6 % gesunken. Somit erhält das Thema Mitarbeiterbindung aufgrund dieser Faktoren eine neue Gewichtung.
Was versteht man unter Mitarbeiterbindung?
Der Begriff Mitarbeiterbindung hat keine klare Definition inne. Bestandteile sind Themen wie Loyalität und Identifikation. Bei der Mitarbeiterbindung werden Maßnahmen getroffen, die die Verhaltensabsicht, sowie das tatsächliche Verhalten des Mitarbeitenden beeinflussen sollen. Dies geschieht sowohl in Bezug auf das Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber als auch in Bezug auf die Leistung des Mitarbeitenden, mit dem Ziel die Beziehung zum Mitarbeitenden zu stärken und zu stabilisieren. Abzugrenzen ist innerhalb der Mitarbeiterbindung die Stärkung der Verbundenheit von der Gebundenheit an das Unternehmen. Beide Felder haben Einfluss auf die Bindung des jeweiligen Mitarbeitenden.
Mitarbeiterverbundenheit stärken
Die Verbundenheit des Mitarbeitenden mit dem jeweiligen Unternehmen wird grundsätzlich von drei Einflussfaktoren beeinflusst: Der Arbeitszufriedenheit, dem Vertrauen und der Gerechtigkeit.
Für die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeitenden spielen Aspekte wie der Arbeitsinhalt, die Kollegen, das Führungsverhalten, die Bezahlung, sowie Aufstiegsmöglichkeiten eine Rolle. Auch Persönlichkeitsfaktoren tragen zur Arbeitszufriedenheit bei. So beeinflusst die aktuelle Stimmung des Mitarbeitenden die Zufriedenheit mit dem Unternehmen.
Auch das Thema Vertrauen geht bedeutsam in das Thema Mitarbeiterverbundenheit ein. Hier spielt nicht nur das Vertrauen in das Unternehmen selbst, sondern vor allem auch das Vertrauen in die Führungskraft und die Kollegen eine Rolle. Im Optimalfall muss in allen drei Bereichen volles Vertrauen vorhanden sein, um Mitarbeiterbindung zu garantieren.
Zuletzt beeinflusst das Gerechtigkeitsempfinden die Verbundenheit. Im Fokus steht hier die Equity Theory. Diese, von John Stacy Adams aufgestellte, Prozesstheorie probiert zu erklären, wie Motivation entsteht. Kernaspekt ist, dass die Gegenleistung für den eigenen Einsatz als fair empfunden wird.
Einflussfaktoren auf die Mitarbeitergebundenheit
Bei der Gebundenheit geht es darum Barrieren aufzutun, die die Entscheidungsmöglichkeiten einengen. Ein Arbeitgeberwechsel könnte beispielsweise mit wirtschaftlichen Nachteilen für den Arbeitnehmenden verbunden sein. Somit ist es für die eigene Mitarbeiterbindung wichtig auch das Konkurrenzangebot im Blick zu behalten und sich gegenüber diesem abzuheben.
Auch soziale Wechselbarrieren spielen für die Bindung eine Rolle. Darunter ist zu verstehen, was die Peer-Group, also das Umfeld des Mitarbeitenden über den Job oder auch das Unternehmen denkt. Ein positives Unternehmensimage bessert auch das Image des Mitarbeitenden in seiner Peer-Group auf und verbessert dadurch die Bindung zum Unternehmen. Hier spielt das Thema Employer Branding eine entscheidende Rolle.
Der Eindruck von Arbeitgeber und Arbeitnehmer fällt auseinander
Wie oben angedeutet spielt die Arbeitsgeberattraktivität in unterschiedlichen Bereichen eine Rolle. Ob nun das Abheben von der Konkurrenz, soziale Faktoren oder auch die generelle Arbeitszufriedenheit. Schaut man sich die Studienergebnisse der Studie von Von Rundstedt HR Partners und der Ernst & Young GmbH an fällt auf, dass die Gewichtung der Einflussfaktoren auf die Arbeitgeberattraktivität auseinander fällt. So unterschätzen viele Arbeitgeber den Einfluss der kollegialen Atmosphäre auf die Arbeitgeberattraktivität, während der Vergütung zu viel Gewicht beigemessen wird.
Strategische Maßnahmen zur Stärkung der Mitarbeiterbindung
Schon im Personalcontrolling sollte das Thema Mitarbeiterbindung seinen Platz finden. Bereits hier kann ein positiver Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit genommen werden, vor allem durch Unterstützung und Vertrauen. Hier sollte eine klare Vision aufgezeigt werden, die für jeden Mitarbeitenden zugänglich ist. Auch Themen wie Inklusion und die daraus entstehenden Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeitenden spielen eine Rolle.
Job-Rotation kann eine Möglichkeit sein die Mitarbeiterbindung zu stärken. Der Mitarbeitende erhält die Möglichkeit seine bereits vorhandenen Fähigkeiten zu nutzen und auszubauen. So wird der Arbeitsalltag abwechslungsreicher und Karrierechancen werden gesteigert. Negativ fällt hier zur Last, dass der soziale Kontakt und das Vertrauensverhältnis zu den Arbeitskollegen durch den häufigen Wechsel erschwert werden.
Zudem sollte das Führungsverhalten im Unternehmen hinterfragt werden. Lebt die Führungskraft die Unternehmenswerte vor? Werden mutige Ideen zugelassen? Hat jeder Mitarbeitende eine Stimme? Diese Faktoren beeinflussen den Wert, den sich der einzelne Mitarbeitende zuschreibt wodurch nachhaltig auf die Bindung zum Unternehmen eingewirkt wird. Dieser Aspekt kann durch gezielte Unterstützung, beispielsweise in Form von Führungskräftecoaching, beeinflusst werden.
Das Thema Work-Life-Balance erhält immer noch große Aufmerksamkeit. Vor allem jüngeren Generationen wird die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben immer wichtiger. Aufgrund der unterschiedlichen Lebensrealitäten der Mitarbeitenden müssen hier individuelle Lösungen gefunden werden, da nicht jedes Umsetzungskonzept auf jeden Mitarbeitenden passt. Auch Gesundheitsmanagement spielt hier eine Rolle. So kann, wenn der Arbeitgeber dieses Thema in den Fokus rückt, die Arbeitszufriedenheit gestärkt werden. Vor allem nimmt jedoch die Gebundenheit zu, da man sich von anderen Arbeitgebern abheben kann.
Ebenfalls zugehörig zur Work-Life-Balance ist das Thema Arbeitszeit. Flexible Arbeitszeiten werden immer beliebter und unterschiedliche Modelle, um dies umzusetzen steigern die Arbeitgeberattraktivität. Hier gibt es nicht nur die Möglichkeit von chronologischen Modellen, wie Gleit- oder Variable Arbeitszeit. Auch chronometrische Modelle wie Sabbaticals oder Altersteilzeit sollten in Betracht gezogen werden. Problematisch können sich Lösungsansätze hier auf das Gerechtigkeitsempfinden der Mitarbeitenden auswirken. Einige Mitarbeitende, aber auch ganze Berufsgruppen haben schlicht keine Möglichkeit flexibel zu Arbeiten.
Das Gerechtigkeitsempfinden spielt auch bei der Vergütung eine Rolle und kann sich positiv auf die Mitarbeiterbindung auswirken. Wenn der Mitarbeitende den Eindruck hat, fair für seine Arbeitsleistung bezahlt zu werden wird er eher im Unternehmen bleiben. Prämienlöhne können den positiven Effekt noch verstärken.
Zuletzt sind sonstige Benefits relevant. Vor allem freiwillige Sozialleistungen steigern die Attraktivität. Ein Auswahlkatalog bietet hier die die Möglichkeit Gerechtigkeit unter den Mitarbeitenden zu fördern.
Ausblick auf weitere mögliche Themen
Die oben aufgeführten Felder sind die naheliegendsten strategischen Maßnahmen zur Stärkung der Mitarbeiterbindung. Weitere Handlungsfelder sind beispielsweise der Bewerbungs- und Onboardingprozess, die Feedbackkultur oder auch das Performance Management der Mitarbeitenden.
An dieser Stelle zeigt sich auch die große Herausforderung des Fachkräftemangels. Besonders betroffen sind der MINT und der Gesundheitsbereich. Genau diese Bereiche können aufgrund von Schichtdiensten, Rufbereitschaften und Co Dinge wie flexible Arbeitszeiten nicht bieten. Hier muss aufgrund dessen mehr Gewicht in andere Handlungsfelder gelegt werden, um der derzeitigen Marktsituation Herr zu werden.
Quellen:
https://www.personio.de/hr-lexikon/mitarbeiterbindung/
https://www.kincentric.com/insights/global-employee-engagement-trends-2022
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/fachkraeftesicherung.html
https://www.personio.de/hr-lexikon/personalcontrolling/#was-versteht-man-unter-personalcontrolling
Ernst & Young GmbH: Absolventenstudie 2012/2013, S. 23 77
Innofact-Studie im Auftrag von Von Rundstedt HR Partners